Anwaltliches Fristversäumnis durch fehlende Unterschrift
Ein Schadensersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt kann dann bestehen, wenn der Rechtsstreit dadurch verloren geht, dass der Anwalt einen Schriftsatz nicht unterschrieben hat. Diese auf den ersten Blick nur kleine “Förmelei” kann tatsächlich zu erheblichen Schäden führen. Es stellt nach jüngst bestätigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine anwaltliche Pflichtverletzung dar, wenn dieser einen fristwahrenden Schriftsatz nicht unterschrieben an das Gericht schickt.
In dem entschiedenen Fall ging es um Folgendes:
Die Rechtsanwältin habe die Rechtsanwaltsgehilfin H. angewiesen, den fertiggestellten und unterschriebenen Schriftsatz vorab per Telefax zur Fristwahrung an das Berufungsgericht zu versenden. Danach habe die Rechtsanwaltsgehilfin die Ausfertigungen anfertigen und die von ihr zu beglaubigende Abschrift zur Unterschrift vorlegen sollen. Infolge einer Ungeschicklichkeit habe die Angestellte H. vor der Versendung ein Glas Wasser über den unterschriebenen Schriftsatz verschüttet, der dadurch völlig durchweicht worden sei. Die Angestellte habe die Berufungsbegründungsschrift deshalb nochmals ausgedruckt und zusammen mit der zu beglaubigenden Abschrift der Rechtsanwältin in einer Unterschriftenmappe vorlegen lassen, ohne diese über den Vorfall zu unterrichten. Die Rechtsanwältin habe in der Annahme, die Ausfertigung für das Gericht bereits unterschrieben zu haben, nur die beglaubigte Abschrift unterzeichnet. Nach Rückgabe der Unterschriftenmappe habe die Rechtsanwaltsgehilfin H. die Ausfertigung für das Gericht vorab per Telefax versandt und den kompletten Vorgang in den Postausgang gegeben.
Bei Gericht ging daher innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zur nur eine nicht unterschriebene Berufungsbegründung der Rechtsanwältin ein.
Wird die Berufungsbegründungsfrist versäumt, weil innerhalb der laufenden Frist ein nicht unterschriebener und damit zur Einhaltung der Frist nicht geeigneter Schriftsatz bei dem Gericht eingegangen ist, ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich von einem dem Berufungskläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Anwaltsverschulden auszugehen. Es ist nämlich die Pflicht eines Rechtsanwalts, für einen mangelfreien Zustand der ausgehenden Schriftsätze zu sorgen, wozu die gemäß § 130 Nr. 6 ZPO zu leistende Unterschrift gehört. Ein Rechtsanwalt muss Vorkehrungen treffen, dass diese Schriftstücke nicht versehentlich in den Postausgang geraten und ohne Unterschrift bei Gericht eingereicht werden.
Dieses anwaltliche Versehen stünde allerdings einer Wiedereinsetzung nicht entgegen, wenn im Rahmen der Büroorganisation durch eine allgemeine Arbeitsanweisung, die an das Gericht zu übermittelnden Schriftsätze vor ihrer Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift des Rechtsanwalts zu prüfen, Vorsorge dafür getroffen wäre, dass bei einem normalen Verlauf der Dinge trotz des Versehens des Rechtsanwalts die Frist gewahrt worden wäre. Dass es eine solche Anweisung zur Unterschriftenkontrolle vor Versendung gegeben hat, ist jedoch in dem vom BGH entschiedenen Fall nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden. Das Berufungsgericht vermisst insoweit jede Darstellung zur Organisation der Ausgangskontrolle in der Kanzlei. Von dem Vorhandensein einer Unterschriftenkontrolle kann das Gericht jedoch nicht ausgehen, wenn es in diesem Punkt an den erforderlichen Angaben der eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen fehlt.
Es bleibt festzuhalten, dass der Rechtsanwalt für das Verschulden seiner Rechtsanwaltsgehilfen einzustehen hat und durch geeignete Vorkehrungen Sorge dafür zu tragen hat, dass vor Versendung der Schriftsätze eine Unterschriftenkontrolle stattfindet. Soweit diese Kontrolle nicht erfolgt, ist das Verhalten des Rechtsanwalts als Pflichtverletzung aus dem Mandatsvertrag einzustufen und das Berufungsverfahren dürfte damit verloren sein. Dem Mandanten können in diesem Fall dann Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsanwalt zustehen.